Trächtigkeit



Brunst

Weibliche Hausmeerschweinchen sind polyöstrisch und durchlaufen einen Zyklus von 16-19 Tagen (17). Dieser unterteilt sich in 4 Phasen:

Proöstrus - 1,5 (0,5 - 4) Tage
Östrus - 1 Tag
Metöstrus - 2,5 - 3 (1,5 - 5) Tage
Diöstrus - 15 - 16,5 (14,5 - 18) Tage
(nach Ilse Hamel)

Während der proöstrischen Phase kommt es zu einem langsamen Anschwellen der Vulva. Zu Beginn noch verschlossen, wölbt das Scheidensekret, von Innen her, die Vaginalmembran zum Ende des Proöstrus nach außen, bis diese einreißt und somit die Kopulation ermöglicht wird. Darauf folgt der Östrus mit einer Phase der Hochbrunst von 10 Stunden (18) (6-11 Stunden (19)), während derer das Aufreiten durch den Bock akzeptiert wird. Die Ovulation erfolgt spontan 10 Stunden nach Einsetzen der Brunst. Die Vaginalmembran ist nun komplett eingerissen und die Vaginalöffnung von einem serösen Sekret überzogen. Deutlich verändert zeigt sich das Verhalten der Sau zu diesem Zeitpunkt. Sie wirkt unruhig und wühlt vermehrt in der Einstreu. Ebenso kommt es - besonders in reinen Weibchengruppen - vor, daß die brünstige Sau andere Weibchen umwirbt und versucht, diese zu besteigen. Findet in dieser Zeit keine Paarung statt, folgt die metöstrische Phase, die durch Abschwellen der äußeren Genitalien und den Verschluß der Vaginalmembran gekennzeichnet ist. Im Diöstrus verringert sich die Vaginalsekretion während der ersten Woche fast um 100% und beginnt in der zweiten Woche langsam wieder anzusteigen (20).

Paarung

Weibchen werden, wie bereits im Kapitel 2.1 erwähnt, schon mit 3-4 Wochen geschlechtsreif. Obwohl es trächtige Weibchen gibt, die eine Geburt in so jungem Alter problemlos überstehen, sollte die eigentliche Zucht jedoch nicht beginnen, bevor die Sau ein Alter von 5-6 Monaten (21) ( 4-5 Monaten (22)) erreicht hat. Ebenso spielt auch das Gewicht für die Zucht eine entscheidende Rolle. Empfehlungen reichen hierbei von >500g (23), bzw. >700g (24) bis <1000g (25). Besonders wichtig ist es allerdings, ein weibliches Hausmeerschweinchen niemals nach dem 10. Lebensmonat (26) (anderen Quellen zufolge, auch dem 11. bzw.12. Lebensmonat, wobei ich eher zu ersterem Termin tendiere) erstmalig decken zu lassen, da die Beckensymphyse bei ungedeckten Säuen im Alter von etwa einem Jahr zu verknöchern beginnt und somit eine Geburt zu einem nicht kalkulierbaren Risiko werden würde. Je nach Gesundheitszustand, Anzahl und etwaigen Problemen bei den Geburten, kann eine Sau bis ungefähr ins 4. bis 5. Lebensjahr gesunde Jungtiere zur Welt bringen. In Züchterkreisen und unter Fachleuten schwanken jedoch die Meinungen, wie häufig eine Sau überhaupt in ihrem Leben gedeckt werden sollte, bzw. in welchem Abstand zu einer Geburt die nächste Trächtigkeit erfolgen kann/ darf.

Die Paarung von Meerschweinchen findet meistens nachts statt. Einhergehend mit dem Beriechen der Genitalorgane, beginnt das Böckchen bereits zwei Tage vor Einsetzen der Brunst die Sau zu umwerben. Dabei gibt es purrende Laute von sich und läuft mit wiegendem Hinterteil hinter dem Weibchen her. Dies kann zu regelrechten Verfolgungsjagden führen, besonders, wenn es sich um Tiere handelt, die einander vorher noch nicht bekannt waren. In diesem Fall ist es ratsamer, die Tiere vor der erstmaligen Verpaarung langsam aneinander zu gewöhnen. Ist das Weibchen noch nicht aufnahmefähig, bzw. wird ihr das Böckchen zu aufdringlich, vertreibt sie es durch Abwehrharnen oder Drohgebärden, bis hin zum Wegbeißen. Sobald die Sau zur Paarung bereit ist, bleibt sie mit durchgestrecktem Rücken vor dem Böckchen stehen und streckt ihm ihr Hinterteil entgegen, damit es aufreiten kann.

Die eigentliche Paarung dauert nur wenige Sekunden. Als Abschluß des vollzogenen Aktes versiegelt das Männchen die Vagina des Weibchens mit dem Scheidenschleimpfropf, einem koagulierten Gebilde aus dem Sekret der männlichen Samenblase. Die geschieht wahrscheinlich, um eine erneute Begattung durch einen Konkurrenten zu verhindern und/ oder um sicherzustellen, daß möglichst viele Spermien innerhalb der Vagina verbleiben und ihren Weg zum Eileiter, wo die Befruchtung stattfindet, fortsetzen können. Der Scheidenschleimpfropf fällt nach wenigen Stunden (27) bis Tagen (28) heraus und wird von vielen Züchtern als Indiz für eine geglückte Paarung gewertet.
Die Nidation erfolgt 6 Tage nach der Paarung.

Trächtigkeit

Die durchschnittliche Trächtigkeitsdauer liegt beim Meerschweinchen bei 68 Tagen, hat jedoch, je nach Größe und Anzahl der Feten eine relative Spanne von 64-72 Tagen (29), (66-72 Tagen (30), bzw. 59-72 Tagen (31)).
Für Nagetiere ist dies eine vergleichsweise lange Trächtigkeit, was sich damit erklären läßt, das Meerschweinchenwelpen Nestflüchter sind, d.h. sie kommen voll entwickelt zur Welt und sind bereits kurz nach der Geburt in der Lage, feste Nahrung aufzunehmen. Es gibt einige Möglichkeiten, eine Trächtigkeit beim Meerschweinchen festzustellen. Am einfachsten ist es, die Sau in regelmäßigen Abständen zu wiegen, da das Gewicht eines trächtigen Weibchens schnell ansteigt. Dieser Anstieg kann, abhängig von der Anzahl der Feten, bis zu 50 % des Gewichts des Muttertieres betragen. So ist bereits im 1. Drittel der Trächtigkeit eine deutliche Umfangsvermehrung am Bauch erkennbar. Jedoch bedeutet das Wiegen mit dem Fortschreiten der Trächtigkeit ein zunehmendes Risiko für Sau und Feten, da durch die Handhabung, vor allem beim Herausheben des Tieres aus dem Gehege oder Käfig, Streß entsteht und des weiteren durch das Tragen ein hoher manueller Druck auf die Bauchregion ausgeübt wird. Darum sollte man die Sau zum Ende der Trächtigkeit nur noch 3 - 4 x wöchentlich wiegen und dabei größtmögliche Vorsicht walten lassen. Andererseits ist die Gewichtskontrolle unerlässlich, da das Gewicht ein signifikanter Hinweis auf das Vorliegen einer Erkrankung sein kann.
4 Wochen (32) nach der Befruchtung, kann man mittels Palpation der Bauchregion ebenfalls eine Trächtigkeit feststellen. 5-6 Wochen (33), bzw. >7 Wochen (34) nach der Paarung spürt man bei erneuter Palpation bereits die ersten fetalen Bewegungen. Bis zum Ende der Trächtigkeit nehmen diese Bewegungen mitunter so vehement zu, daß sie auch mit bloßem Auge zu erkennen sind. Allerdings kommt es auch vor, daß kurz vor der Geburt die Bauchhöhle des Weibchens (vor allem bei Mehrlingsgeburten) so prall gefüllt ist, das die Feten sich kaum noch, oder gar nicht mehr bewegen können.

6-7 Wochen (35) vor der Geburt schwellen die Zitzen an und auch andere morphologische Veränderungen geschehen im Körper der Sau. So löst sich um den 30. Trächtigkeitstag (36) der Knorpel auf, der die beiden Knochen der Beckensymphyse miteinander verbindet.

Dies ist unbedingt notwendig, da Meerschweinchen, für ihre Größe und ihr Gewicht, vergleichsweise große und schwere Jungtiere gebären. Am 40. Trächtigkeitstag (37) existiert nur noch eine schmale Knorpelbrücke, die aber am Tag der Geburt gänzlich verschwunden ist. Die Symphyse dehnt sich während der Geburt schätzungswiese um das 50-fache (38) ihrer eigentlichen Größe. Ohne den Vorgang der Symphysenerweiterung (Weibchen, die älter als ein Jahr sind) wäre die letzte Chance, das Leben der Mutter und ihrer Jungtiere zu retten, der Kaiserschnitt.
Ungefähr 6 Wochen nach der Befruchtung läßt sich das Skelett der Feten auf dem Röntgenbild erkennen.

Um diese, aufgrund der ungewissen Wirkung von Röntgenstrahlen auf Feten in der Frühträchtigkeit, nicht zu gefährden, sind 6 Wochen nach der Befruchtung der früheste Termin für das Röntgen. Als Beweis für eine Trächtigkeit spielt es ohnehin keine große Rolle und sollte, ebenso wie der Ultraschall, möglichst nur bei überfälligen Säuen nach dem 70. Tag nach der Befruchtung (39) eingesetzt werden, um eventuelle Komplikationen aufgrund eines zu engen Geburtskanals, oder einer Scheinträchtigkeit, bedingt durch Absterben und Resorbtion der Feten, zu vermeiden.

Auf zwei seltene Phänomene möchte ich, der Vollständigkeit halber, noch hinweisen. Manchmal kommt es bei trächtigen Säuen vor, daß sich, durch Verlust oder Resorption der Feten in der Frühträchtigkeit, eine Scheinträchtigkeit ausbildet. Die Sau sieht, trotz Verlust ihrer Früchte, weiterhin trächtig aus und beginnt sogar Milch zu produzieren. Dieser Zustand dauert im Schnitt 17 Tage (40). Wichtig ist hierbei, aufgrund des Milchflusses, eine Stauung selbiger und somit die Gefahr einer Mastitis, zu vermeiden. Den Milchfluß bringt man durch Weglassen des Saftfutters in besagtem Zeitraum zum Versiegen.

Ein weiteres Kuriosum ist die Superfetation (Nachempfängnis). Sie entsteht, wenn trotz erfolgter Befruchtung und laufender Gestation, im Abstand von meist 35 Tagen (41) bzw. 2 Östruszyklen, ein weiterer Eisprung stattfindet und die Sau wiederum erfolgreich befruchtet wird. Dabei befinden sich die Feten der ersten Befruchtung in dem einen Uterushorn, die der zweiten Befruchtung im anderen. Für die Sau ist es durchaus möglich, beide Trächtigkeiten erfolgreich zu beenden.

Mit freundlicher Genehmigung von Katharina Seifert.